Prof. Dr. Thies Langmaack erklärt, wie der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen junge Talente auf die Zukunft vorbereitet.

Nachhaltigkeit muss sich rechnen – und genau hier kommen Wirtschaftsingenieur*innen ins Spiel. Prof. Dr. Thies Langmaack, Studiengangsleiter, erklärt, wie der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Kreislaufwirtschaft und Produktion junge Talente darauf vorbereitet, ökologische Verantwortung und wirtschaftlichen Erfolg miteinander zu verbinden. Einblicke in ein Studium, das Technik und Ökonomie vereint – für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft.
Welche Rolle spielen Wirtschaftsingenieurinnen und -ingenieure bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft?
Eine sehr zentrale. Denn wenn wir ehrlich sind: Nachhaltiges Handeln passiert selten allein aus Idealismus. In der Realität verändern Menschen oder Unternehmen ihr Verhalten meist nur dann, wenn es sich wirtschaftlich lohnt. Das sieht man an vielen Beispielen – denken Sie etwa an die Wärmepumpe. Hätte man den Strom für deren Betrieb einfach halb so teuer gemacht, hätte es vermutlich deutlich weniger Widerstand gegeben. Genauso ist es bei allen nötigen Transformationsprozessen im Zuge des Klimawandels: Es muss ein wirtschaftlicher Nutzen sichtbar werden.
Und genau hier kommen Wirtschaftsingenieur*innen ins Spiel. Sie helfen, diesen Nutzen greifbar zu machen – für Unternehmen wie für Verbraucher*innen. Sie verbinden technisches Fachwissen mit wirtschaftlichem Denken und können so konkrete Lösungen aufzeigen, bei denen sich Nachhaltigkeit rechnet. Sie machen sichtbar, wo der „Benefit“ liegt, sowohl ökonomisch als auch ökologisch.
Wie bildet das Studium diese Rolle konkret ab?
Das Studium bereitet die Studierenden gezielt auf diese Vermittlungsrolle vor. Es vereint technische Inhalte – etwa aus der Produktion, Verfahrenstechnik oder Werkstoffkunde – mit wirtschaftlichen Kompetenzen wie Kostenrechnung, Investitionsplanung oder Nachhaltigkeitsbewertung. So lernen die Studierenden beides: die Technik zu verstehen und wirtschaftlich zu argumentieren. Man könnte sagen: Sie bekommen das Beste aus beiden Welten.
Der Studiengang bietet zwei Schwerpunkte an – Kreislaufwirtschaft sowie Produktion und Fertigung. Wie unterscheiden sich diese?
Studierende müssen sich bei der Einschreibung zunächst festlegen, aber ein Wechsel ist auch später noch möglich. Die Entscheidung hängt stark von den persönlichen Interessen ab. Wer sich eher in der Welt der Maschinen, Produktionslinien und Fertigungstechnik sieht, wählt typischerweise den Schwerpunkt Produktion und Fertigung. Wer dagegen den Fokus auf Stoffströme, Recyclingkonzepte und die umweltgerechte Gestaltung von Produkten legt, entscheidet sich eher für die Kreislaufwirtschaft. Letztlich geht es bei beiden Profilen darum, Prozesse effizienter zu gestalten – einmal im Hinblick auf Produktionsleistung, einmal in Bezug auf Ressourcenschonung und Umweltwirkung.
Steht die Nachhaltigkeit denn in beiden Schwerpunkten im Fokus?
Ja, definitiv. Nachhaltigkeit ist kein Add-on, sondern integraler Bestandteil des gesamten Studiengangs. Sie wird in vielen Modulen thematisiert – ob in technischen, wirtschaftlichen oder projektbezogenen Inhalten. Natürlich liegt der Fokus im Profil Kreislaufwirtschaft stärker auf Fragen wie Recyclingfähigkeit, Materialauswahl oder Produktdesign für Wiederverwendung. Aber auch im Bereich Fertigung geht es darum, effizient, ressourcenschonend und emissionsarm zu produzieren.
Wie genau wird das Thema Nachhaltigkeit in der Lehre verankert?
Ein Beispiel ist das Modul „Nachhaltigkeitsbewertung grüner Technologien“. Dort lernen die Studierenden, wie man etwa den CO₂-Fußabdruck eines Produkts berechnet – und, noch wichtiger: wie man ihn gezielt beeinflussen kann. Das beginnt bei der Auswahl der Rohstoffe, geht über den Energieeinsatz bis hin zur Logistik. Man lernt also nicht nur die Formel, sondern auch, wie man die Parameter so gestaltet, dass das Ergebnis – also der ökologische Fußabdruck – optimiert wird. Dabei wird immer die Verbindung zwischen technischer Machbarkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit mitgedacht.
Im Studium gibt es auch interdisziplinäre Projekte. Wie sind diese aufgebaut und was bringen sie?
Solche Projekte sind enorm wichtig, weil sie die Realität im Berufsleben abbilden. Dort arbeitet man fast immer interdisziplinär – mit Ingenieurinnen, Kaufleuten, Designern oder auch Behördenvertreter*innen. In den Projekten im Studium arbeiten die Studierenden gemeinsam an konkreten Aufgabenstellungen, häufig mit Praxispartnern aus der Industrie. Jeder bringt seine Perspektive und Fachkompetenz ein. Das ist nicht nur inhaltlich spannend, sondern schult auch Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit und Projektmanagement. Und natürlich lernt man dabei auch, wie man mit unterschiedlichen Arbeitshaltungen umgeht.
Der Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft ist in dieser Form einzigartig in Schleswig-Holstein. Warum ist das so?
Weil nicht jede Hochschule die dafür nötige Kompetenz in Verfahrenstechnik und Nachhaltigkeitsbewertung hat. Wir gehören zu den ersten, die dieses Profil so konsequent anbieten. In vielen klassischen Wirtschaftsingenieurstudiengängen ist das Thema Kreislaufwirtschaft noch nicht so stark integriert. Wir sehen aber, dass genau diese Ausrichtung künftig stark an Bedeutung gewinnen wird und möchten die Studierenden frühzeitig darauf vorbereiten.
Was umfasst der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ inhaltlich?
Kreislaufwirtschaft beginnt schon beim Produktdesign. Es geht darum, Materialien so auszuwählen und zu verarbeiten, dass Produkte möglichst lange genutzt, leicht repariert oder gut recycelt werden können. Ein Beispiel ist die Wahl des richtigen Kunststoffs: Verwende ich einen, der sich problemlos wiederverwenden lässt – oder einen, der später nur verbrannt werden kann?
Als Unternehmen muss ich aber auch wirtschaftlich begründen, warum ich vielleicht teurere Recyclingmaterialien einsetze. Dann kommt das Argument der Kundenakzeptanz ins Spiel – oder der Druck von Großkunden. Wenn ein Autobauer wie Mercedes sagt: „Unser Fahrzeug darf nur noch eine Tonne CO₂ in der Herstellung verursachen“, müssen alle Zulieferer entsprechend mitziehen. So wird Nachhaltigkeit zur betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Werden auch politische oder gesellschaftliche Aspekte im Studium behandelt?
Ja, absolut. Wir diskutieren beispielsweise aktuelle Entwicklungen in der CO₂-Bepreisung oder die Rolle von Subventionen. Viele Unternehmen handeln heute nur deshalb nachhaltig, weil sie finanziell gefördert werden. Die große Frage ist: Was passiert, wenn diese Subventionen wegfallen? In Zukunft wird CO₂ möglicherweise mit rund 300 Euro pro Tonne bepreist. Dann sieht die Kalkulation ganz anders aus und viele Maßnahmen, die sich früher nicht „gerechnet“ haben, werden plötzlich wirtschaftlich interessant.
Ich erinnere mich noch gut: Als ich in der Industrie war, haben sich meine Energiesparprojekte kaum durchgesetzt, weil sich die Investitionen erst nach zehn Jahren amortisierten. Die Geschäftsführung wollte aber Lösungen, die sich in zwei Jahren lohnen. Heute, bei hohen Energiepreisen, fragt man: „Warum haben wir das damals nicht gemacht?“ Es zeigt, wie stark sich wirtschaftliche Bewertungen ändern können – und das wird auch in der Lehre thematisiert.
Welche beruflichen Chancen eröffnen sich den Absolvent*innen – gerade mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit?
Sehr gute! Fachkräfte mit einem fundierten Verständnis von Technik und Wirtschaft werden dringend gesucht – insbesondere solche, die Nachhaltigkeit nicht nur theoretisch verstehen, sondern praktisch umsetzen können. Der Bachelorabschluss ermöglicht eine breite Auswahl an Einsatzbereichen: von der Produktionsplanung über das Umweltmanagement bis zur Beratung in Nachhaltigkeitsfragen. Wer sich vertiefen will, kann im Master spezialisieren – entweder in technischer Richtung oder in Management und Strategie. Das ist besonders attraktiv für viele junge Menschen, die sich noch nicht früh festlegen wollen. Und das kommt auch der gesellschaftlichen Entwicklung entgegen: Orientierung geben, aber auch offen bleiben für Spezialisierung.