Das Flensburger Inno!Nord-Team und weitere Energie- und Elektrotechnik-Professor*innen waren jüngst Gast beim DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Hamburg. Dort nahmen die Hochschulprofessorinnen und Professoren an einer wissenschaftlichen Workshop-Veranstaltung zum Thema „Batterien für die Zukunft" teil.
Dabei konnten die Wissenschaftler*innen aus Flensburg mehr über das DESY zu erfahren und einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des Zentrums und der kooperierenden Forschungseinrichtungen wie Helmholtz-Gesellschaft und Fraunhofer-Instituten zu werfen. Das DESY in beeindruckender Stadtteilgröße mit 3000 Mitarbeitern und dem jährlichen Stromverbrauch einer 40000-Einwohner Kleinstadt untersucht mit exklusiver Messtechnik und Apparatur im Wesentlichen die strukturellen Beschaffenheiten von Werkstoffen und lebenden Strukturen. Wichtigste Anwendungsfelder sind heute die Batterieforschung, Pharmazie und Medizin und die Lebensmittelindustrie.
Neben den Einrichtungen XFEL, FLASH, LINAC, HERA, DORIS werden dazu in deren größter Ringstruktur Petra-III Elektronenpakete in einem 2000m Durchmesser-Ring unter der Stadt mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf die Reise geschickt, um in 30 unterschiedlichen gekapselten „Experimentierhütten“ einzelne Bündel im Röntgen- und anderen Strahlungsbereichen auszukoppeln und auf die Proben zu schicken. Die frühere dort betriebene Atomphysik mit Teilchenbeschleunigern findet mittlerweile im CERN, der europäischen Organisation für Kernforschung, in der Nähe von Genf statt.
In Hamburg handelt es sich - vereinfacht gesagt - eigentlich nur um ein Mikroskop, mit welchem man bis in einzelne Molekularstrukturen blicken kann. Die damit verbundene Bildgebung ist sehr aufwendig. Möglich sind hier tatsächlich 3D-Scans mit atomarer Auflösung und Animationen mit zeitlicher Auflösung von femto-Sekunden! Aber auch physikalische Experimente der Grundlagenforschung spielen eine Rolle. Was passiert z.B., wenn gegenläufig im Ring schießende Elektronen oder Atomkerne aufeinanderprallen? Wie groß ist dabei die Aufprallgeschwindigkeit? Entstehen unbekannte Zerfallsprodukte unterhalb der Atomkerngröße?
Hat der Vorgang Einfluss auf eine dafür benötige rückwärts laufende Zeit?
Mit dieser Technik ist heute vieles möglich: Durch zerstörungsfreie Untersuchungen konnte man beispielsweise unter bekannten Rembrandt-Bildern Schichten weiterer Kunstwerke sichtbar machen, alte ägyptische Pergamentrollen 3D-scannen und virtuell ausrollen, sogar das optische und akustische Bruchverhalten von Schokolade war schon Thema. Alles sehr beeindruckend für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Flensburg.
Es wurde schnell klar, dass man in Hamburg in einer anerkannt anderen Liga spielt. Forschungsförderungen finden dort in einer Größenordnung statt, über die man in Flensburg kaum zu träumen wagt. So steht derzeit ein bauliches Upgrade der PETRAIII Anlage auf die Version IV an, und das mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro. Im Jahr 2009 hat PETRA III den Betrieb aufgenommen: PETRA III, eine der brillantesten Speicherring-Röntgenstrahlungsquellen der Welt. Sie bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern exzellente Experimentiermöglichkeiten mit extrem intensiven und gebündelten Röntgenstrahlen. Davon profitieren vor allem Forschende, die sehr kleine Proben untersuchen wollen oder stark gebündeltes, sehr kurzwelliges Röntgenlicht für ihre Analysen benötigen – von der Medizinforschung bis zur Nanotechnologie.
Für die Expert*innen im Inno!Nord-Team sind derzeit insbesondere Fragen zu neuen Batterie-Werkstoffen der Anode/Kathode, Speicherfähigkeiten, mikrokristalline Strukturveränderungen und Imperfektionen im Zeitbereich, Mechanismen von Elektrolyten sehr wichtige Themen. Dazu konnten die Flensburger Gäste hochkarätige Vorträge vom DESY, dem Helmholtz-Zentrum, der Fraunhofer-Institut, BMW und auch von Northvolt hören. Insbesondere war die BMW-Vorstellung hochinteressant: es ging um aktuelle Forschungsergebnisse zu Wärme- und Stofftransporten im Inneren von Batteriezellen, die in Kooperation mit dem DESY entstanden sind.
Interessant war für die Forscherinnen und Forscher aus Flensburg die Erkenntnis, dass DESY sich auch der industrienahen Forschung öffnet, wie zum Beispiel den Alterungsvorgängen von Batterien, die man dort nun visualisieren kann. Auch Aspekte der Fertigung mit neuen Anoden- und Kathodenmaterialien unter Berücksichtigung von Umweltaspekten (Lösungsmittelfreiheit, Energieverbräuche) wurden den Gästen aus Flensburg berichtet. Der allgegenwärtige Fachkräftemangel wurde in vielen Vorträgen als ein Kernproblem gesehen. Das stellt auch die Hochschule Flensburg in der Ausbildung künftiger Experten vor Herausforderungen.
Hintergrundinformation Inno! Nord:
Mithilfe der T!Raum-Initiative „Innovationslabor: Speicher zur Nutzung erneuerbarer Energien im echten Norden“ (Inno!Nord) soll ein Umfeld entwickelt werden, innerhalb dessen die richtigen Entwicklungsentscheidungen zur Schaffung von Energiespeichern getroffen werden können. Verschiedene für die Region geeignete Speichertechnologien sollen entwickelt und erprobt und schließlich in die praktische Anwendung überführt werden. Das Portfolio der bearbeiteten Energiespeichertechnologien deckt dabei ein umfangreiches Feld des für die Region ausgemachten Bedarfs an Energiespeicherlösungen ab. Mit der Einführung dieser Speichertechnologien soll eine Strukturstärkung der Region befördert werden. Geplant sind in einem ersten Schritt drei konkrete Werkstattprojekte, die sich mit der Ammoniak- und Wasserstoff-Speicherung, der CO2-Speicherung aus Abgasen zur weiteren Nutzung, sowie der kinetischen Energiespeicherung mithilfe eines Schwungradspeichers befassen.
Mit dem Inno!Nord- Projekt will die Hochschule Flensburg in Zusammenarbeit mit Partnern und Akteuren konkrete Lösungen für den existierenden Bedarf an Energiespeichertechnologien erarbeiten, die Mithilfe geeigneter Transfermethoden in die Praxis überführt werden sollen.
Im Zentrum steht das Errichten eines einmaligen Innovationslabors, welches unterschiedliche, teils ausschließlich regional und teils auch weit darüber hinauswirkende Transferinitiativen beinhalten wird.
Die (Transfer-)Aktivitäten des Inno!Nord sollen in einer „Austauschplattform: Geeignete Energiespeicher für den echten Norden“ (AGE) zusammengeführt werden. Innerhalb dieser AGE werden verschiedene Projekte des Inno!Nord koordiniert, Folgeprojekte initiiert, und verschiedene innovative Technologietransferformate im Detail ausgearbeitet. Diese Transferformate werden in den Werkstattprojekten angewandt und deren Erfolg evaluiert. Das Vorhaben ist eines von 12 bundesweit geförderten Vorhaben, die als Erfahrungsgemeinschaft ihre Erkenntnisse austauschen werden.
Projektziele sind:
• Lösungen für Energiespeichertechnologien
• Entwicklung innovativer Transferformate
• Regionale Strukturstärkung
Das Projektbudget von Inno!Nord beträgt 5,4 Millionen Euro. Projektpartner sind neben dem Institut für Nautik und maritime Technologien der Hochschule Flensburg die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, der Green TEC Campus in Enge-Sande sowie die Phänomenta im Flensburg.