Norddeutsche Bundesländer vernetzen Sachverstand auf 1.Wärmekonferenz in Göttingen. Auch Expert*innen der Hochschule Flensburg waren dabei.
„Ich könnte Sie auch begrüßen mit ‚lieber beeindruckender, versammelter Sachverstand‘“, begann Dr. Marc Hudy, Präsident der ausrichtenden Hochschule für Wissenschaft und Kunst (HAWK) seine Grußworte vor fast 100 Teilnehmenden in der Alten Mensa Göttingen. Forschende sowie Mitarbeitende von Kommunen und Unternehmen hatten sich zur 1. Norddeutschen Wärmekonferenz in Göttingen zusammengefunden, um sich unter den fünf Bundesländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern besser zu vernetzen und so die Wärmewende gemeinsam voranzubringen.
Hervorgegangen ist die Konferenz aus einer Initiative der Norddeutschen Wissenschaftsministerkonferenz (NWMK) mit dem Ziel, durch wissenschaftliche Vorhaben, die Transformation des Energiesystems im Spannungsfeld von Energiekrise und Klimaschutz maßgeblich zu beschleunigen. „Wenn die Politik ein Ziel definiert, dann muss auch der Wissenschaft Gehör geschenkt werden, wie der Weg dahin gestaltet werden kann, welche Stolpersteine es noch gibt und dass dieses Wissen auch transportiert wird. Das genau machen wir hier: angewandte Wissenschaft in ein Netzwerk hinein transportieren. Hier sind alle vertreten, viele Hochschultypen, Forschungseinrichtungen, aber eben auch Beratungsinstitutionen. Ganz wichtig ist jetzt, dass dieser Ruf, dieses wissenschaftliche Know-how, auch von der Politik gehört und verarbeitet wird“, so Hudy.
Zu den vortragenden Fachleuten gehörten unter anderem Kristina Schumacher, die im Projekt CERO2 an der Hochschule Flensburg zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern untersucht, wie die Fernwärmeversorgung der Stadtwerke Flensburg vollständig emissionsfrei gestaltet werden kann. Aus einem Projekt zur Technologieperspektive für Hochtemperaturwärmepumpen in Kooperation mit der Arctos Industriekälte AG berichtete Jonas Freißmann. Er und sein Kollege Malte Fritz arbeiten am Zentrum für Nachhaltige Energiesysteme (ZNES) – einem gemeinsamen Institut von Europa-Universität und Hochschule Flensburg - heraus, welche technischen Lösungen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen es für eine erfolgreiche Wärmewende braucht. Beide Projekte werden von der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH) im Programm „Hochschule-Wirtschaft-Transfer Energie und Klimaschutz“ gefördert. „Die beiden Vorträge zeigten beispielhaft, wie Hochschulen einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Wärmewende in der Praxis leisten können“, so Prof. Dr. Ilja Tuschy, der als Vertreter der Wärmeforschung in Schleswig-Holstein eine der neun wissenschaftlichen Sitzungen der Konferenz mit insgesamt rund 50 Fachvorträgen moderierte.
Prof. Dr. Ilja TuschyDie Wärmewende funktioniert nur, wenn wir unsere Systeme optimal auslegen und betreiben
Den Investitionsbedarf für die Umstellung der Wärmeversorgung auf rund 50 Prozent erneuerbare Energien in den nächsten zwei bis vier Jahren schätzt HAWK-Professor Dr. Stefan Holler auf 25 Milliarden Euro für die norddeutschen Bundesländer. „Wir als Wissenschaft wollen diesen Prozess unterstützen und die entsprechenden Erkenntnisse aus unserer Forschung bereitstellen. Dazu ist es erforderlich, dass wir gemeinsame Projekte durchführen. Um den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis zu realisieren, sollten pro Bundesland je nach wirtschaftlichem Potenzial und bereits jetzt geleisteten Landesfinanzierungen rund drei bis fünf Millionen Euro pro Jahr für die kommenden fünf Jahre bereitgestellt werden“, so Holler, Professor für Energie- und Umwelttechnik und Umweltmanagement an der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement am Standort Göttingen. Auch eine ergänzende Finanzierung aus Bundesmitteln sei denkbar. Das Ziel, so formuliert es das Abschlussstatement der Tagung, sei die Gründung einer Norddeutschen Wärmeforschungsallianz, welche effiziente Transferstrukturen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Norddeutschland etablieren und stärken und so die Wärmewende maßgeblich voranbringen könne.
Um die wichtigsten Themen in der Wärmewende in die Konferenz einbringen zu können, stand entsprechender Sachverstand vor Ort zur Verfügung, wie etwa Prof. Dr. Ilja Tuschy vom ZNES: „Die Wärmewende funktioniert nur, wenn wir unsere Systeme optimal auslegen und betreiben. Wir simulieren beispielsweise, wie Solar- und Geothermie mit Wärmepumpen und Speichern zusammen optimal 100 Prozent erneuerbare Wärme liefern können. In unserem Nachbarland Dänemark klappt das auch in der Praxis schon sehr gut, das wollen wir in Norddeutschland auch schaffen“.