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Mit schrumpeligen Fingern und offenem Ende zum Filmpreis

Mit ihrem Erstlingswerk haben drei Studierende der Hochschule Flensburg den ersten Preis beim 48-Stunden-Festival abgeräumt. In ihrem Kurzfilm erzählen sie von Angst und Traurigkeit - und setzen sich so von den anderen Teilnehmer*innen ab.

Haben mit ihrem Erstlingswerk bei 48-Stunden-Kurzfilmwettbewerb die Jury überzeugt: (v.l.) Florian Schmidt, Lukas Wojciechowski und Daniel Kempa.
Haben mit ihrem Erstlingswerk bei 48-Stunden-Kurzfilmwettbewerb die Jury überzeugt: (v.l.) Florian Schmidt, Lukas Wojciechowski und Daniel Kempa. – Foto: Gatermann

Schrumpelige Finger. Damit fängt es an. Mit Fingern, die das Wasser aufgeweicht hat. Aus diesem Bild, das dem Kopf von Lukas Wojciechowski entspringt, entsteht die Geschichte einer jungen Frau, die eine Krebsdiagnose fürchtet. Die Finger sind die erste Szene des Kurzfilms "Anna", der beim 48-Stunden-Festival in Kiel den ersten Preis gewinnt.

Bei diesem Wettbewerb haben Filmschaffende zwei Tage Zeit, aus einem vorgegebenem Thema einen Kurzfilm zu machen. "Ich hatte davon im vergangenen Jahr gehört und wollte jetzt mitmachen", erzählt Lukas. Er studiert den neuen Studiengang Film und Media Arts an der Hochschule Flensburg, ebenso wie Daniel Kempa und Florian Schmidt. Die drei tun sich zusammen - und wollen ihren ersten richtigen Kurzfilm machen. Florian und Lukas haben bereits Erfahrungen mit kommerziellen Arbeiten. Für Daniel ist es die Premiere. "Ich habe vorher Drehbücher geschrieben, aber noch nichts verfilmt", verrät er.

Angst, Sorge und ein emotionales Ausbrechen: Schauspielerin Nicla Seidel als Anna.
Angst, Sorge und ein emotionales Ausbrechen: Schauspielerin Nicla Seidel als Anna.

Ein Drehbuch im klassischen Sinn brauchen sie für ihren Wettbewerbsbeitrag allerdings nicht. "Wir haben Freestyle gedreht", erzählt Lukas. Sie hätten Einstellungen im Kopf gehabt, oft aber spontan entschieden, was ihnen zum vorgegeben Thema "verwässert" einfällt. Gedreht wurde mit der kurzfristig engagierten Schauspielerin Nicla Seidel in Florians Wohnung und im Badezimmer seiner Freundin. Ausgehend vom Gedanken der schrumpeligen, nassen Finger entspinnt sich die Geschichte einer jungen Frau, die nach dem Besuch beim Onkologen in ihrer Badewanne sitzt. Sie hat gerade den Brief mit dem Befund bekommen. Aus Angst vor einem negativen Befund öffnet sie ihn nicht. Die Filmemacher begleiten die Frau mit der Kamera durch ihre Gedankenwelt. "Wir haben uns in ihre Gefühlswelt versetzt", erzählt Florian. Am Ende öffnet sie den Brief. Und… Mehr wollen die drei Regisseure nicht verraten. Das Ende bleibt offen. Lädt zum Interpretieren und Diskutieren ein.  

Wir haben ernsthaft vor, mehr zu machen, ausgereiftere Filme, für verschiedene Festivals

Florian Schmidt

Dass sich bei den drei Studierenden alles um bewegte Bilder dreht, merkt der Zuhörer im Gespräch nicht nur, wenn Daniel voller Überzeugung sagt: "Film ist alles für mich!" Und dass er daher extra aus Berlin an die Hochschule Flensburg gekommen sei. Die Drei sprechen auch in Bildern. Er wolle seine Gedanken drucken. So beschreibt Florian, dass er seine kreativen Gedanken der Öffentlichkeit filmisch zugänglich machen möchte. Ein "wilder Prozess" sei die 48stündige Produktion gewesen, in dem sie mit ihren verschiedenen Vorstellungen zu einer "homogenen Gehirnmasse" geworden seien, "die das Beste entschieden hat".

Als besten Beitrag ehrt dann auch die Jury den Kurzfilm "Anna". Der Grund für den Gewinn des Festivals wird von Florian, Daniel und Lukas dahingehend vermutet, dass der Film sich in seinem Genre und der emotionalen Gestaltung der Bilder zu den anderen Filmen abgrenzt. Die meisten Teilnehmer arbeiteten mit Humor. Doch in „Anna“ wird Angst, Sorge und ein emotionales Ausbrechen thematisiert. Zudem sei der Streifen nicht wirklich einem Genre zuzuordnen, eher vage gehalten. Die Jury habe die ästhetischen Bilder gelobt. Florian spricht hier von einer authentischen Produktionsweise. Denn hier und da sei eine Einstellung mal verwackelt, der Schnitt zu kurz. "Wir hatten keine Zeit mehr, den Film nochmal probezugucken", erzählt er. Und so haben sie anschließend immer wieder kleiner Fehler entdeckt. Dass ihr Film trotz dieser Produktionsqualität gewonnen habe, "ist einfach nur ein tolles Gefühl. Und motiviert, weiterzumachen", sagt Daniel.

Der Antagonist: Welche Diagnose hat der Onkologe gestellt?
Der Antagonist: Welche Diagnose hat der Onkologe gestellt?

Ihr preisgekrönter Erstling hat ein offenes Ende. Und auch für Daniel, Lukas und Florian ist die Klappe noch nicht gefallen. Im Gegenteil: Das Filmfestival in Cannes sei der nächste Schritt, sagt Lukas scherzhaft. "Wir haben ernsthaft vor, mehr zu machen, ausgereiftere Filme, für verschiedene Festivals", so Florian. "Wir haben Blut geleckt!" Fortsetzung folgt…

 Homogene Gehirnmasse: Die drei Regisseure haben ihr Ideen beim 48-Stunden-Dreh meist spontan entwickelt.
Homogene Gehirnmasse: Die drei Regisseure haben ihr Ideen beim 48-Stunden-Dreh meist spontan entwickelt.

Info zum Studiengang:

Seit dem Wintersemester 2022/2023 kann man den neuen Studiengang Film & Media Arts an der Hochschule Flensburg studieren. Der Filmstudiengang, der sowohl praxistauglich als auch künstlerisch angelegt ist, deckt eine große Bandbreite filmischer Formen ab: fiktionale und dokumentarische Formate sind ebenso wie Animation, Werbe- und Imagefilm Teil des Lehrplans. Die Bewerbungsfrist für Schleswig-Holsteins ersten Filmstudiengang ist der 15. Juli 2023. Mehr Infos unter: https://hs-flensburg.de/studieninteressierte/angebot/bachelor/B-FMA