Der „Autognom“ – das vielseitige Hafenfährenprojekt der Hochschule Flensburg ist mit dem Brennschnitt für die Fähre in die Umsetzungsphase gestartet.
Schippert bald eine autonome Elektro-Fähre zwischen Harniskai und Schiffbrücke über die Flensburger Förde? Diese Vision hat zumindest Michael Thiemke. Und der Professor für Schiffsbetriebstechnik an der Hochschule Flensburg ist dabei, seine Idee einer Hafenfähre Realität werden zu lassen. „Autognom“ heißt das Boot, mit dessen Konstruktion die Flensburger Werft nun begonnen hat.
„Ersten Ideen, sich mit elektrischen Fahrantrieben und autonomen Systemen auf Schiffen zu beschäftigen, kamen vor ungefähr fünf Jahren auf“, berichtet Thiemke. Dank einer Förderung durch das schleswig-holsteinische Bildungsministerium in Höhe von bis zu 300.000 Euro aus dem Exzellenz- und Strukturbudget konnte die Hochschule Flensburg nun den Bau eines Bootes als eigene Plattform für Forschungsaufgaben rund um maritime E-Mobilität und autonome (Hilfs-)Systeme in Auftrag geben. „So sind wir unter anderem unabhängig von Nutzungsbeschränkungen bestehender Plattformen oder komplizierten Partnerschaften mit Zulieferfirmen“, erklärt Thiemke.
Prof. Dr. Michael ThiemkeWir wollen das Fahrzeug als zugelassene Fähre in einer kommerziellen Kooperation betreiben lassen
Unter Baunummer 803 fertigt die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) gerade die Kernkomponenten des Bootes. Thiemke: „Die Zusammenarbeit mit der Werft stellt sich als Glücksfall dar, da die Mitarbeitenden mit hohem Engagement den Bau des Bootes zügig und mit viel Umsicht vorantreiben.“ Mit dem Bau des Rumpfes setze sich außerdem die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre zwischen der Hochschule Flensburg und der FSG fort.
Wenn „Autognom“ 2024 vom Stapel läuft wird die Fähre nicht nur Flensburger*innen und Tourist*innen über die Förde transportieren, sondern auch jede Menge nützliche Daten liefern – was den autonomen als auch den elektrischen Betrieb angeht. Es wird eine Forschungsfähre sein. „Wir wollen das Fahrzeug als zugelassene Fähre in einer kommerziellen Kooperation betreiben lassen“, erklärt Thiemke. So begrenze man Betriebs- und Instandhaltungskosten für die Hochschule und stelle praxisnahe Betriebssituationen ebenso wie ausreichend Betriebsstunden für Sensoren und Künstliche Intelligenz sicher. Natürlich ist jederzeit ein gefährdungsfreier Fährbetrieb sicherzustellen. Aus diesem Grund wird das Boot mit einem Steuerhaus und Fahrzeugführer*innen ausgestattet und zumindest in den ersten Jahren nur unter mit betreuenden Behörden eng abgestimmten Bedingungen teilautonom navigieren dürfen. Andere Systeme, wie zum Beispiel Auslösemechanismen für Rettungsmittel, Anker oder Lade-Infrastruktur, die eben nicht zum Kernbereich der Navigation gehören, können hingegen neben Möglichkeiten zur manuellen Betätigung voraussichtlich deutlich früher auch in einem parallelen teilautonomen Betrieb erprobt werden.
Während sich viele ähnlich gelagerte Projekte mit der Weiterentwicklung der autonomer Navigations-Technologie beschäftigen, kümmern sich deutlich weniger im Schwerpunkt um die weiteren Aspekte, die mit einer Zulassung für einen maritimen Personennahverkehr geregelt sein müssen, wenn der Fährbetrieb komplett ohne Personal an Bord und an den Anlegern ablaufen soll. „Genau in solchen Nischen-Bereichen suchen wir daher Betätigungsfelder.“
Unter anderem sollen Fragestellungen zum Ruderpropeller sowie zum Manövrierverhaltens der Fähre, zum autonomen Navigierens der Fähre inklusive An- und Ablegen, zur Auslegung eines elektrischen Manövrier- und Fahrantriebs mit Batteriespeichern und automatischem Nachladen über Landstrom behandelt werden. Auch Untersuchung zur angemessenen Reaktion des autonomen Schiffes auf unterschiedliche Notfallszenarien (Risk Management, Failure Mode Effective Analysis FMEA) steht auf dem Programm – nicht nur der Forschenden. Denn auch Studierende sollen eingebunden werden. „Beteiligte Studierende lernen in hohem Maße sehr aktuelle und praxisnahe Themen aus eigener Anschauung kennen“, sagt Thiemke. Schulen und Jugend-Forscht-Initiativen könnten zudem über die Plattform besser an attraktive maritime Themenstellungen herangeführt werden.