Am Wind Energy Technology Institute (WETI) an der Hochschule Flensburg denkt und forscht man vorrausschauend: Prof. Dr. David Schlipf und sein Team haben zusammen mit Kooperationspartnern ein Lidar-System, ähnlich zu einem Smartphone, erweitert und auf dem Gondeldach einer Windenergieanlage installiert, um die Windbedingungen vor dem Rotor zu bestimmen und damit eine Verbesserung der Anlagenreglung im realen Betrieb zu erforschen.
Es ist Anfang Juli 2022 auf dem ehemaligen Militärflughafen in Eggebek (Schleswig-Holstein). Die mittlere Windgeschwindigkeit ist mit etwa zehn Metern pro Sekunde spürbar und weht die Haare ins Gesicht. Hier findet nach vielen Monaten intensiver Vorbereitung eine Premiere statt und das an einem ganz speziellen Ort: Auf dem Gondeldach einer Windenergieanlage. Mehr als 100 Meter über dem Boden. An der hiesigen Testanlage wurde ein Lidar-System installiert, um damit die Windbedingungen zu ermitteln und zu verarbeiten – und zwar noch bevor diese auf den Rotor treffen.
Das gestiftete Lidar stammt aus einer Kooperation des WETI mit dem Lidar-Hersteller Movelaser und dem Start-up sowento und wurde nun weiterentwickelt. Das eigentliche Highlight ist hierbei, dass die Rohdaten des Lidars durch eigens entwickelte Apps der Forscher individuell und situationsabhängig für die Echtzeit-Regelung der Anlage genutzt werden können und dies nun, nach vielen Jahren mit Simulationen, in der Praxis erprobt werden kann. Dank der Unterstützung des Windparkbetreibers Denker & Wulf und des Anlagenherstellers Siemens Gamesa erfolgte abschließend der Aufbau des Lidars auf dem Gondeldach.
Prof. Dr. David SchlipfDieses Setup ermöglicht es, dass Windenergieanlagen bald so vorrauschauend denken können, wie dies bereits heute zum Beispiel bei Autos schon der Fall ist.
„Dieses Setup ermöglicht es, dass Windenergieanlagen bald so vorrauschauend denken können, wie dies bereits heute zum Beispiel bei Autos schon der Fall ist. Auch hier können moderne Systeme den vorrausgehenden Verkehr und Hindernisse analysieren und darauf entsprechend durch Geschwindigkeitsanpassung reagieren. Wir übertragen dies auf Windenergieanlagen“, erklärt Prof. Dr. David Schlipf vom WETI. Und weiter: „Die verbesserte Regelung führt zur Reduzierung der strukturellen Lasten und zur Verbesserung der Ausrichtung in den Wind. Dies kann dann zur Steigerung des Energieertrages und Verlängerung der Lebenszeit genutzt werden.“ Ein Teil der neuen Algorithmen wurden vom Doktoranden Feng Guo im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „Lidar Knowledge Europe (LIKE)“ entwickelt. Diese Algorithmen können nun auf das neue System, wie eine App auf ein Smartphone, geladen werden.
Nach rund zehn Arbeitsstunden war es dann geschafft: Das Lidar stand an seinem vorbestimmten Platz und das gesamte Team zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Mit den ersten gesendeten Signalen des Lidars wurden bereits Windböen gemessen, bevor sie die Anlage erreichten. In den kommenden Wochen sind nun intensive Messkampagnen im freien Feld geplant. Die Integration in die Regelung wird dann ab Oktober in einem Forschungsprojekt erfolgen.