Für die Informatik-Lehrer*innen in Schleswig-Holstein ändern sich die Fachanforderungen. Ein von der Hochschule Flensburg entwickeltes Lehrkonzept zeigt ihnen einen Weg zu projekt- und handlungsorientiertem Unterricht.
Was ist User Centered Design? Was bedeuten User Interface und User Experience? Und wie bastelt man einen Prototyp aus Papier? Mit diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Softwareprogrammierung beschäftigten sich zwei ganze Tage lang rund 20 Informatik-Lehrer*innen aus Schleswig-Holstein. Sie sind extra nach Flensburg gekommen. Denn hier hat ein Team von Wissenschaftler*innen der Hochschule um Prof. Dr. Sven Bertel und Lena Beck ein Konzept für den modernen Informatik-Unterricht entwickelt.
„Unser Ansatz erfüllt die Vorgaben der Fachanforderungen an den Informatikunterricht, die das Bildungsministerium in diesem Jahr herausgegeben hat“, sagt Beck. Prozess- und projektorientierter sollen die Schüler*innen künftig an das Thema Softwareprogrammierung herangeführt werden. Und es soll sich nicht auf die reine Programmierung beschränken, sondern Aspekte wie Usability, User Experience, User Interface und weitere Design-Aspekte beinhalten, um am Ende ein nutzer*innenfreundliches Produkt zu erstellen. Wie der Informatik-Unterricht künftig aussehen könnte, welche Modulbausteine er beinhalten kann – das zeigten Lena Beck und Prof. Dr. Sven Bertel den Lehrkräften im Rahmen des Workshops.
Lena BeckWir bieten den Lehrkräften keine durchgeplanten Stunden an, aber wir machen deutlich, was alles möglich ist und liefern Inspiration und Input für den Unterricht
Ihr Konzept basiert auf den Ergebnissen des Projekts „Kompetenzen für eine digitale Welt“, in dem die Wissenschaftler*innen der Hochschule Flensburg eineinhalb Jahre den Oberstufen-Informatikunterricht der Auguste-Viktoria-Schule als Projekt gestaltet haben. Die beteiligten Schüler*innen haben Chemieschüler*innen interviewt, um herauszufinden, wie eine funktionale Chemie-App aussehen müsste, und haben dann Papier-Prototypen gebaut. Mittels aufgeklebter Zettel werden Funktionen zunächst quasi aus Pappkarton animiert; später dann am Computer umgesetzt. Immer wieder gibt es dabei Feedback-Runden und Nutzer*innentests mit den entstandenen Prototypen. Agiles Arbeiten, Teamwork und die Fähigkeit, sich in die Nutzer*innen zu versetzen, standen im Mittelpunkt. „Wir bieten den Lehrkräften keine durchgeplanten Stunden an, aber wir machen deutlich, was alles möglich ist und liefern Inspiration und Input für den Unterricht“, so Beck. So bauen die Lehrer*innen eben selber Papier-Prototypen, um ein Gefühl zu bekommen, wie sie diese praktische Übung in ihren Klassen einsetzen können.
Selten gebe es so umfangreiche Fortbildungen für Lehrer*innen wie die in Flensburg, sagt Philipp Möller, Landesfachberater für Informatik Schleswig-Holstein vom IQSH. Dass insgesamt acht Referent*innen über zwei Tage einen Workshop veranstalten, bei dem zwischen den einzelnen Phasen auch Raum für die so wichtige Netzwerkbildung gelassen wird, hat schon aufgrund der dafür notwendigen finanziellen Ressourcen Seltenheitswert „Der User-Centered-Design-Circle stellt die prozessbezogenen Kompetenzen der Fachanforderungen in den Vordergrund. An dieser Veranstaltung sieht man deutlich, dass es sich besonders für den handlungsorientierten Unterricht lohnt, den Blick über den Tellerrand zu werfen.“
Die Erfahrungen aus dem Schul-Projekt zeigen übrigens, so Lena Beck, dass ihr Konzept funktioniere – und den beteiligten Lehrer*innen und Schüler*innen sehr viel Spaß macht.