Jedes Semester zieht es zahlreiche Studierende der Hochschule Flensburg zum Austausch an Universitäten im Ausland. Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus stellte sie vor großer Herausforderungen. Hier berichten zwei Studierende von ihrem Abenteuer-Semester.
Es sollte einer Zeit voll neuer Erfahrungen sein. In Spanien, Schweden oder in Neuseeland wollten sie nicht nur BWL, eHealth oder Energiewissenschaften studieren, sondern auch neue Menschen und Kulturen kennenlernen. Ihre Sprachkenntnisse verbessern. Zahlreiche Studierende der Hochschule Flensburg zieht es jedes Semester in die Welt. So auch Lea-Christin Witt, die im Februar an der University of Pretoria in Südafrika ein Semester lang Logistics and Supplied Chain Management studieren wollte. „In Flensburg ist das mein Studienschwerpunkt“, sagt Lea-Christin Witt. Sie sitzt in ihrer Flensburger Wohnung. Per Skype erzählt sie vom frühzeitigen Abbruch und einer abenteuerlichen Rückreise. Von einer ungewollten Erfahrung.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen auch die Studierenden der Hochschule, die in Trinidad & Tobago, Belgien, Irland oder in Australien ein Austauschsemester verbringen. „Meine Kollegin Ute Sachau und ich haben uns frühzeitig mit allen Studierenden in Verbindung gesetzt und mit ihnen ihre individuelle Situation besprochen und sie unterstützt“, sagt Janntje Böhlke-Itzen, Leiterin International Relations an der Hochschule. „Es ist natürlich nicht leicht, unter all den Ungewissheiten eine so weitreichende Entscheidung zu treffen.“ Immerhin hätten sich die Studierenden auf ihr Auslandssemester gefreut, konnten jedoch noch nicht gut einschätzen, wie sich die Situation im Gastland weiterentwickeln würde.
Lea-Christin WittMeine Chancen habe ich auf 20 Prozent eingeschätzt.
Auch mit Lea-Christin Witt hat Böhlke-Itzen regelmäßig Kontakt und berät sich mit ihr. Zunächst sei sie noch entspannt gewesen, hätte weiter den Urlaub im Nachbarland Namibia geplant, erzählt Witt. Doch dann heißt es, die Grenzen werden geschlossen. Mit einigen Kommilitoninnen macht sie sich auf den Weg zum Flughafen. „Wir wussten nicht, wie wir hätten zurückkommen sollen, da keine Busse mehr fuhren“, erinnert sich Lea-Christin Witt. Acht Stunden wartet sie auf ein Ticket. „Meine Chancen habe ich auf 20 Prozent eingeschätzt“, sagt sie heute. Sie ergattert schließlich den letzten Platz im Flieger, der zum Glück zwei Stunden Verspätung hat. Auch Janntje Böhlke-Itzen erfährt – direkt nach Witts Familie –, dass die Studentin im letzten Flieger sitzt, der aus Südafrika Richtung Europa abhebt. Dann wird der Flugverkehr eingestellt.
Jan NordwaldWenn ich mitbekomme, was da derzeit los ist, bin ich froh wieder hier zu sein
Lea-Christin Witt erzählt das heute relativ gelassen. Doch Angst, gibt sie zu, habe sie schon gehabt. „Ich wusste nicht, ob ich es schaffe“, berichtet sie. Trotz des ungewollten Abbruchs ihres Studiums in Pretoria, ist sie doch auch froh, wieder in Deutschland zu sein.
Das sagt auch Jan Nordwald, der sein Auslandssemester an der NUST in Namibia frühzeitig abbrechen musste: „Wenn ich mitbekomme, was da derzeit los ist, bin ich froh wieder hier zu sein.“ Er habe noch Kontakte zu Freunden, die er in seiner kurzen Zeit in Namibia kennenlernt, und von „bedrohlichen Situationen“ berichten. Er selbst habe sich zunächst sicher gefühlt. Doch dann – an einem Sonntagabend – wurden plötzlich die Studierenden aus Finnland nach Hause geholt. Eine Mitbewohnerin, die in der französischen Botschaft arbeitet, wurde ebenfalls abgezogen. Auch Janntje Böhlke-Itzen meldete sich an dem Tag mehrfach. „Da habe ich dann angefangen, mich um die Rückreise zu kümmern“, erinnert sich Nordwald. 74 Stunden dauerte sein Trip: von Namibia über Südafrika, London, Amsterdam nach Frankfurt. Und von dort mit einem Mietwagen nach Flensburg.
Lea-Christin Witt und Jan Nordwald, beide im fünften Semester BWL, wollen nun ihr Studium abschließen. Und hoffen, nochmal nach Südafrika und Namibia zurückzukehren. Um als Touristen Erfahrungen zu sammeln.