In Schleswig-Holstein stehen zirka 4.800 Unternehmensübergaben bis 2018 an. Eine Fachtagung des Dr. Werner Jackstädt-Zentrums hat das Thema der Unternehmensnachfolge durch eine Mitarbeiterbeteiligung aufgearbeitet.
Die Zahl ist beindruckend: Bis zum Jahr 2017 planen deutschlandweit zirka 580.000 Unternehmensinhaber die Übergabe oder den Verkauf ihres Betriebes. Unmittelbar davon betroffen sind mindestens vier Millionen Erwerbstätige, die in diesen Unternehmen arbeiten. Keine einfache Aufgabe, der sich die betroffenen Unternehmer stellen müssen, denn bis zu 40 Prozent der Unternehmensnachfolgen scheitern. Umso wichtiger ist es, frühzeitig die Weichen im Unternehmen in Richtung Zukunftssicherung zu stellen, zumal das Problem der Nachfolgeregelung in Unternehmen bereits hinlänglich bekannt ist. Der demografische Wandel beschleunigt diesen Prozess dahingehend, dass der Anteil der über 55jährigen Inhaber seit 2002 von 20 auf 36 Prozent in 2013 angestiegen ist.
Allein in Schleswig-Holstein stehen zirka 4.800 Unternehmensübergaben bis 2018 an: „Da die klassische Form der Übergabe innerhalb der Familie im Vergleich zu früher nicht mehr so einfach funktioniert, müssen neue innovative Ansätze verfolgt werden. Dieses kann zum Beispiel in Form einer unternehmensinternen Übergabe an einen langjährigen Mitarbeiter erfolgen, dem die Strukturen des Unternehmens bekannt sind und der diese Verantwortung übernehmen möchte“, so Prof. Dr. Dr. Rainer Kreuzhof, Sprecher des Dr. Werner Jackstädt-Zentrums. Durch Kreuzhofs Initiative hat das Dr. Werner Jackstädt-Zentrum gemeinsam mit der Flensburg/ Schleswiger Wirtschaftsförderung das Thema der Unternehmensnachfolge durch eine Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen einer Fachtagung im Technologiezentrum aufgriffen. Diskutiert wurde an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und regionaler Wirtschaft mit Experten aus Wissenschaft und Politik sowie nachfolgeinteressierten Unternehmern.
Lediglich 17 Prozent der tatsächlichen Übergaben erfolgen unternehmensintern an die Mitarbeiter. Doch woran liegt es, dass immer weniger Senior-Unternehmer keinen Nachfolger finden? Die Unternehmensnachfolge wird von vielen Aspekten bestimmt: Neben rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Faktoren erschweren vor allem soziologische und psychologische Einflüsse die Übergabe, denn die Vorstellungen über Unternehmenswerte des Übergebers und des potentiellen Nachfolgers liegen oft weit auseinander.
Einig waren sich die Tagungsteilnehmer darüber, dass ein gesellschaftlicher Wertewandel unserer Zeit die neue individuelle unternehmerische Selbstverwirklichung betont. Da viele Strukturen in Unternehmen zentralistisch auf den Altinhaber zugeschnitten sind, müssen diese aufgebrochen werden und eine potentielle Neuorientierung mit unternehmerischer Eigenständigkeit des Nachfolgers zulassen. Die Kommunikation nimmt hierbei eine besondere Schlüsselfunktion ein, da alle Entscheidungen und Handlungen durch sie beeinflusst werden. Gerade wo Traditionsgedanken in Form einer Weitergabe des Unternehmens innerhalb der Familie nicht mehr in dem Ausmaß wie früher vorhanden sind, müssen neue Strukturen und Kommunikationsformen gefunden werden, um betriebliche Übergaben unternehmsintern wie -extern erfolgreich zu organisieren.
Hierbei kann auch von dem Erfahrungsschatz der betrieblichen Neustrukturierung und Übergaben ostdeutscher Unternehmen nach der Wende profitiert werden. Experten der Westsächsischen Hochschule in Zwickau und Referenten aus Sachsen bereicherten in vielfältiger Weise die Flensburger Fachtagung: In der klassischen Übergabe wird die Einbindung der Mitarbeiter oft unterschätzt – in verschiedenen Modellen beispielsweise durch eine kapitalmäßige Beteiligung oder auch Genossenschaftsmodellen können die Übergabeprozesse bereits langfristig erfolgreich vorbereitet und organisiert werden.
Eine wichtige Funktion übernimmt hierbei die externe Fachberatung der Kammern und Verbände, die aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen insbesondere zum Erbrecht, Steuerrecht sowie zur soziologischen Gestaltung des Betriebsüberganges und dessen Finanzierung unabdingbar ist – in Schleswig-Holstein agieren sehr gute Beratungsinstitutionen. Diese Beratungs- und Unterstützungsangebote gilt es jedoch besser zu vernetzen.
Die Grundlagen der für ein Unternehmertum benötigten Fachkompetenzen sollten bereits in der Schule sowie im Elternhaus vermittelt werden, da nicht jeder potentielle Unternehmer eine Ausbildung an einer Hochschule anstrebt. Unternehmensleitungen müssen vielmehr generell über ein Verantwortungsbewusstsein, eine Sozialkompetenz, Teamfähigkeit und Risikobereitschaft verfügen.
Die Tagungsteilnehmer waren sich einig darüber, dass gerade eine Hochschule in der Region dabei wichtige Weichen stellen kann: „Gerade der Zusammenschluss von Lehre und Praxistransfer befähigt Hochschulen wie zum Beispiel das Flensburger Dr. Werner Jackstädt-Zentrum dazu, vorhandene Akteure an einen neutralen Ort zusammenzubringen und sich explizit mit den besonderen Herausforderungen der regionalen Unternehmensnachfolge nachhaltig auseinanderzusetzen. Die Flensburger Fachtagung ist daher ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so Rainer Kreuzhof abschließend.